VW Skandal - OLG Braunschweig: Befangenheitsantrag - Kampf des 90-Jährigen Rentners geht in die 2. Runde

Für gehörige Aufmerksamkeit der Medien sorgte ein 90-Jähriger Rentner aus Gemünden, der seit Anfang 2017 wegen seines Schummeldiesels gegen die VW-AG in Braunschweig klagt. Die Main Post berichtete als erste Zeitung über den streitbaren Rentner ( https://ra-schmidt.jimdo.com/verwaltungsgericht-schleswig-90-jähriger-rentner-will-vw-rückrufaktion-stoppen-verfahren-gegen-das-kraftfahrt-bundesamt-kba-rückruf-bleibt-rechtswidrig-geheimakte-vw-zdf-doku-7-6-2017/
und https://www.mainpost.de/regional/main-spessart/Abgasskandale-Gemuenden-Konzernzentralen-Krankheiten-Rechtsanwaeltinnen-und-Rechtsanwaelte-Rentner-Rueckrufaktionen-Verhandlungen-Zitate;art768,9772523 ).
Auch die Wolfsburger Nachrichten haben den Fall im Oktober aufgegriffen:

Vor dem Landgericht Braunschweig fühlte sich der Rentner von VW schikaniert. Das Gericht hielt eine mündliche Verhandlung seiner Klage nicht für notwendig, weil identische VW-Skandal-Klagen bereits unzählige Male in Braunschweig entschieden wurden. Auch der Kläger hielt deshalb eine Gerichtsverhandlung zunächst nicht für nötig und beantragte, ein Urteil in einem schriftlichen Verfahren zu erlassen, um sich die beschwerliche Anreise nach Braunschweig zu ersparen. Als die VW-AG dazu angehört wurde, widersprach sie einem solchen Verfahren und erzwang so einen Termin zur mündlichen Verhandlung.

Eine ganz offensichtliche Schikane folgerte der Rentner, denn VW wolle wohl die Sache für ihn so beschwerlich wie möglich machen.

Als der Rentner kurz vor dem Gerichtstermin erkrankte, weigert sich der Richter den Termin um wenige Wochen bis zur Genesung zu verschieben. Begründet wurde das mit dem Beschleunigungsgrundsatz, der die Gerichte verpflichtet, rasch zu einer Entscheidung zu kommen.

Weil der Richter aber zuvor keine Bedenken hatte, eine übermäßig lange Verzögerung des Rechtsstreits zu bewilligen, als die VW-AG dies nach Klageeinreichung beantragte, lehnte der Rentner den Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Dieser Befangenheitsantrag wurde vom Landgericht zurückgewiesen aber der Verhandlungstermin wurde aufgehoben.

Von einem unparteiischen Richter erwartet der Kläger, dass er ihn genauso fair behandelt wird wie die VW-AG und legte gegen die Entscheidung des Landgerichts Braunschweig Beschwerde ein, der ebenfalls nicht abgeholfen wurde.

Nunmehr ist der Rentner vor das Oberlandesgericht Braunschweig gezogen, um sein Recht durchzusetzen. Sein Rechtsanwalt Thomas Schmidt aus Berlin-Kleinmachnow, erklärte dazu, das OLG muß jetzt prüfen, ob die Besorgnis des Klägers begründet war. Mein Mandant dürfe nicht darauf verwiesen werden, dass er an einer Gerichtsverhandlung nicht zwingend teilnehmen müsse, denn wenn der VW-Vorstand den Fall für derart überragend wichtig hält, dass er sogar eine mündliche Verhandlung erzwingt, müsse der Richter auch auf die Interessen des Klägers Rücksicht nehmen, so Rechtsanwalt Schmidt. Der Kläger müsse unter diesen Umständen Gelegenheit erhalten, an der Verhandlung ebenso teilzunehmen, um seine Interessen ebenso persönlich zu vertreten, wie der VW-Vorstand. VW dürfe nicht bevorzugt werden.

Die Entscheidung des OLG Braunschweig wird nunmehr mit Spannung erwartet. Das Verfahren vor dem Landgericht wird in der Zwischenzeit nicht fortgesetzt.

VW verweigert sich weiterhin einer schriftlichen Entscheidung zuzustimmen, so dass der 90-Jährige dann irgendwann die 300 km lange Anreise nach Braunschweig antreten wird. Er hofft, dass er es noch erleben wird. Vielleicht muß VW dann doch noch den PKW-Kaufpreises von rund 21.000,- € oder wenigstens den Minderwert von ca. 4.000,- € ersetzen. VW hat an der Beschleunigung des Verfahrens durch eine rasche schriftliche Entscheidung oder gar einer freiwilligen vergleichsweisen Entschädigung kein Interesse und sitzt die Sache weiterhin aus.

Dass die meisten Gerichte unzureichend mit Personal ausgestattet sind, ist ein Skandal für sich, meint Schmidt. Ein Kläger sollte mit einem kurzen Terminstand bei Gericht und raschen Gerichtsentscheidung rechnen können, so wie es vor Jahren noch üblich war. Dann würden Probleme wie in Braunschweig gar nicht erst entstehen. Hier sind die Wähler und die Politik gefordert, die unhaltbaren Zustände zu ändern.